15.11.2017, 23:20
Ihr Leben war ein Scherbenhaufen. Spiegelscherben. Voll von Unheil. Hätten ihre Eltern mit dem tödlichen Unfall nicht noch warten können? Wenigstens zwei Jahre? Mit 16 Jahren hätte man sie doch bestimmt allein leben lassen. Wobei ihr das auch nichts gebracht hätte. Sie wäre dann eben allein und pleite gewesen. Dabei hatte sie nicht einmal gewusst, dass sie Geldprobleme hatten. Hätte sie das nur gewusst! Sie hätte ihre Wünsche doch gemäßigt. Aber nein. Sie hatte erst erfahren, dass kein Geld mehr da war, nachdem wegen der Gläubiger ihr Elternhaus und alle verbliebenen Wertgegenstände darin und in der Garage veräußert worden waren, um all die Gläubiger bezahlen zu können.
Bevor das bekannt geworden war, hatten sich ihre Tanten und Onkel noch darum gestritten, wer sie aufnehmen könnte. Doch sobald klar war, dass sie ohne jeden Cent einziehen würde, wollte sie auf einmal niemand mehr. Das war ernüchternd. Wenn niemand einen als Mensch wollte. Dabei hatte sie sich doch stets bemüht. Sie war eine vorbildliche Tochter gewesen. Mit Bestnoten in der teuren Privatschule. Ohne jede Eskapaden mit Drogen oder Alkohol. Nicht einmal mit Jungs! Sie hatte sich nur in Sachen Menschen- und Tierrechte stark gemacht. Eben soweit das eine Jugendliche konnte. Vorwiegend hieß das, sie hatte ehrenamtlich im Tierasyl und in einem Obdachlosenheim geholfen.
Und dann das... sie drohte selber obdachlos zu werden. Keiner ihrer Verwandten wollte sie. Also griff letztlich der Staat ein. Nun stand sie also vor dem Waisenhaus. Mit nichts mehr, als dem, was sie trug, einem Rucksack und einer Reisetasche. Das war alles. Ein kleines Bisschen Garderobe. Ihre Fotoalben. Ihre Kamera. Das war es. Mehr gab es nicht mehr von ihrem alten Leben. Ergeben folgte sie der Sozialtante in das wenig einladend wirkende Gebäude. Sie wurde der Leiterin vorgestellt. Einer rundlichen Schwarzen mit einem strengen Blick. Die beiden Frauen unterhielten sich. Über sie. Als säße sie nicht direkt neben ihnen. Sie schluckte ihren Ärger darüber herunter und senkte den Blick auf ihre Füße. Sie hatte allein die gewöhnlichen Kleidungsstücke behalten dürfen. Neben der notwendigen Unterwäsche nur Shirts mit unterschiedlich langen Ärmeln, Pullis, Jeans, ein Paar Chucks, ein Paar Boots, ein Paar Flipflops. Heute trug sie Jeans, ein weißes Shirt und schwarze Chucks. Die Haare waren offen und etwas zerzaust. Sie hatte keine Lust gehabt, die rote Mähne zu bändigen.
Endlich schienen die Frauen fertig. Die Frau vom Sozialamt verabschiedete sich. Die vom Heim erhob sich und scheuchte sie auf. Schweigend folgte sie ihr. Je mehr sie vom Heim sah, desto mulmiger wurde ihr. Das war so ganz anders, als ihr Zuhause oder die Privatschule. Was ihr Bett nur bewies. Sie bekam ein Etagenbett zugewiesen, das untere davon. Es stand in einer Reihe von 12 Betten, wenigstens als vorletztes und nicht ganz mitten drin. An den Bettenden standen schmale Schränke auf der anderen Seite eines ebenso schmalen Ganges. Sollte jemand seine Schranktür offen lassen, käme man da wohl kaum vorbei. Einer dieser Schränke wurde ihr zugewiesen. Er war mit einem Zahlenschloss versehen. Wie die Schränke, die sie in den Filmen an öffentlichen Schulen gesehen hatte. Die Direktorin drückte ihr einen Wochenplan in die Hand, wo verzeichnet war, wann gegessen wurde, wann der Schulbus fuhr und wann die Schlafenszeiten waren. Etwas erschlagen starrte Leonie auf das Stück Papier.
Dann war sie alleine. Eben soweit man in einem Waisenhaus allein sein konnte. Wobei das im Moment wirklich ging. Es war Schulzeit und sie würde erst morgen den ersten Schultag haben. Also räumte sie ihre Sachen in den Schrank. Er war... so leer, dass ihre Tasche unten rein passte, ebenso ihr Rucksack. Es war ein deprimierender Anblick. Sie prägte sich den restlichen Tagesablauf ein, steckte den Plan in eine Ritze an der Innenseite der Tür und schloss diese dann ab. Dann schlürfte sie ans Fenster, sah hinaus auf den tristen Hof. Spontan beschloss sie, hinab zu gehen, setzte sich an die Wurzel eines schiefen, eher mickrigen Baumes etwas am Rande des ansonsten zumeist gepflasterten Hofes. Sie atmete tief durch, zog die Beine an die Brust, legte die Stirn auf ihre Knie und betete einmal mehr, dass all dies nur ein schrecklicher Alptraum war.
Bevor das bekannt geworden war, hatten sich ihre Tanten und Onkel noch darum gestritten, wer sie aufnehmen könnte. Doch sobald klar war, dass sie ohne jeden Cent einziehen würde, wollte sie auf einmal niemand mehr. Das war ernüchternd. Wenn niemand einen als Mensch wollte. Dabei hatte sie sich doch stets bemüht. Sie war eine vorbildliche Tochter gewesen. Mit Bestnoten in der teuren Privatschule. Ohne jede Eskapaden mit Drogen oder Alkohol. Nicht einmal mit Jungs! Sie hatte sich nur in Sachen Menschen- und Tierrechte stark gemacht. Eben soweit das eine Jugendliche konnte. Vorwiegend hieß das, sie hatte ehrenamtlich im Tierasyl und in einem Obdachlosenheim geholfen.
Und dann das... sie drohte selber obdachlos zu werden. Keiner ihrer Verwandten wollte sie. Also griff letztlich der Staat ein. Nun stand sie also vor dem Waisenhaus. Mit nichts mehr, als dem, was sie trug, einem Rucksack und einer Reisetasche. Das war alles. Ein kleines Bisschen Garderobe. Ihre Fotoalben. Ihre Kamera. Das war es. Mehr gab es nicht mehr von ihrem alten Leben. Ergeben folgte sie der Sozialtante in das wenig einladend wirkende Gebäude. Sie wurde der Leiterin vorgestellt. Einer rundlichen Schwarzen mit einem strengen Blick. Die beiden Frauen unterhielten sich. Über sie. Als säße sie nicht direkt neben ihnen. Sie schluckte ihren Ärger darüber herunter und senkte den Blick auf ihre Füße. Sie hatte allein die gewöhnlichen Kleidungsstücke behalten dürfen. Neben der notwendigen Unterwäsche nur Shirts mit unterschiedlich langen Ärmeln, Pullis, Jeans, ein Paar Chucks, ein Paar Boots, ein Paar Flipflops. Heute trug sie Jeans, ein weißes Shirt und schwarze Chucks. Die Haare waren offen und etwas zerzaust. Sie hatte keine Lust gehabt, die rote Mähne zu bändigen.
Endlich schienen die Frauen fertig. Die Frau vom Sozialamt verabschiedete sich. Die vom Heim erhob sich und scheuchte sie auf. Schweigend folgte sie ihr. Je mehr sie vom Heim sah, desto mulmiger wurde ihr. Das war so ganz anders, als ihr Zuhause oder die Privatschule. Was ihr Bett nur bewies. Sie bekam ein Etagenbett zugewiesen, das untere davon. Es stand in einer Reihe von 12 Betten, wenigstens als vorletztes und nicht ganz mitten drin. An den Bettenden standen schmale Schränke auf der anderen Seite eines ebenso schmalen Ganges. Sollte jemand seine Schranktür offen lassen, käme man da wohl kaum vorbei. Einer dieser Schränke wurde ihr zugewiesen. Er war mit einem Zahlenschloss versehen. Wie die Schränke, die sie in den Filmen an öffentlichen Schulen gesehen hatte. Die Direktorin drückte ihr einen Wochenplan in die Hand, wo verzeichnet war, wann gegessen wurde, wann der Schulbus fuhr und wann die Schlafenszeiten waren. Etwas erschlagen starrte Leonie auf das Stück Papier.
Dann war sie alleine. Eben soweit man in einem Waisenhaus allein sein konnte. Wobei das im Moment wirklich ging. Es war Schulzeit und sie würde erst morgen den ersten Schultag haben. Also räumte sie ihre Sachen in den Schrank. Er war... so leer, dass ihre Tasche unten rein passte, ebenso ihr Rucksack. Es war ein deprimierender Anblick. Sie prägte sich den restlichen Tagesablauf ein, steckte den Plan in eine Ritze an der Innenseite der Tür und schloss diese dann ab. Dann schlürfte sie ans Fenster, sah hinaus auf den tristen Hof. Spontan beschloss sie, hinab zu gehen, setzte sich an die Wurzel eines schiefen, eher mickrigen Baumes etwas am Rande des ansonsten zumeist gepflasterten Hofes. Sie atmete tief durch, zog die Beine an die Brust, legte die Stirn auf ihre Knie und betete einmal mehr, dass all dies nur ein schrecklicher Alptraum war.